Die Mediengeschichte von Reclams Universal-Bibliothek ist stets retrospektiv geschrieben worden, vom Telos der bis heute erfolgreichen ›Klassiker‹-Reihe aus, die 1867 an den Start gegangen ist. Das vorliegende Buch geht den umgekehrten Weg, untersucht die angeblichen Reclam-Vorläufer seit 1810 im Kontext ihrer buchmedialen und markthistorischen Voraussetzungen. Seine Protagonisten sind die Etui-Bibliothek der deutschen Klassiker, von 1810 an erschienen bei Friedrich Wilhelm Forstmann in Aachen oder August Schumann in Zwickau (das ist alles andere als eindeutig), und Joseph Meyers Miniatur-Bibliothek der Deutschen Classiker, die ab 1827 nicht nur in Gotha herausgekommen sein will, sondern, mit globalem Anspruch, auch in »Neu-York«. Dabei stellt sich auf der Ebene der Buchmaterialität tatsächlich so etwas wie ›Vorläuferschaft‹ heraus, jedoch anders als erwartet. Zugespitzt formuliert: das ›Reclamheft‹, das im zwanzigsten Jahrhundert zum Kultobjekt avanciert ist, erweist sich als medienpraxeologisches Mißverständnis.