Johann Christian Bock (1724–1785), der 1772 bis 1778 als Theaterdichter und Dramaturg an Friedrich Ludwig Schröders Hamburger Theater wirkte, bezeichnet sein Lustspiel Der Bettler (1771) als »wahre Geschichte«. Sie liest sich wie eine ›Moralische Erzählung‹ von einem jungen Mann aus gutem Hause, der sich den Avancen seiner Stiefmutter widersetzt und dafür verstoßen wird. Durch die Wohltätigkeit der Pachterstochter gelingt dem verlorenen Sohn schließlich die Heimkehr, nach einer rührenden Wiedererkennung und Vergebung durch den Vater darf er sie sogar heiraten.
Mit diesem häufig nachgedruckten und nicht nur in Hamburg, Weimar und Wien erfolgreich aufgeführten Stück leistet Bock einen frühen Beitrag zum ›sozialen Drama‹. Denn es wirbt für wohltätige Menschenliebe, durchaus im Sinne der gleichzeitig entstehenden reformpädagogischen Bewegung des Philanthropismus. Der Vater und Herr des Rittergutes verbietet die Bettelei, der Pachter und seine Tochter sowie ein Landedelmann versuchen hingegen Vorurteile zu zerstreuen. In bestimmten Fällen rechtfertigen sie sogar den Ungehorsam gegen die Obrigkeit. Damit sensibilisiert das Stück in didaktischer Absicht für gesellschaftliche Außenseiter.
Alexander Košenina
Alexander Košenina, Prof. Dr., wechselte 2008 von einem germanistischen Lehrstuhl in Bristol an die Leibniz Universität Hannover. Er vertritt die deutsche Literatur des 17.–19. Jahrhunderts, beschäftigt sich u.a. mit medizinischen und juristischen Fallgeschichten seit der Frühen Neuzeit und interessiert sich für Wechselwirkungen zwischen Malerei und Literatur. Zahlreiche Bücher, Aufsätze, Feuilletons und Editionen zur Literatur des 17. bis 21. Jahrhunderts.