Hilde Domin (1909–2006) war zu Lebzeiten als Dichterin ein Star: Ihr Debütband Nur eine Rose als Stütze machte sie 1959 fast über Nacht bekannt. Ihre Lesungen fanden regelmäßig in ausverkauften Sälen statt, ihre Gedichtbände erleben bis heute zahlreiche Neuauflagen. Die Leser verehrten Domin für ihre knappen, oft fast kargen, und dennoch bildhaft-poetischen Gedichte, die hohen ästhetischen Anspruch mit Zugänglichkeit und Verständlichkeit verbinden.
Weniger bekannt als die Dichterin ist bis heute die Intellektuelle Hilde Domin. Als ausgebildete Politikwissenschaftlerin mischte sie sich engagiert in die Debatten der Nachkriegszeit ein; als Kennerin und Übersetzerin moderner Lyrik suchte sie den Austausch mit Vertretern der akademischen Literaturwissenschaft; als Jüdin setzte sie sich mit anderen einst Verfolgten, etwa mit Peter Szondi, Jean Améry und Hannah Arendt, auseinander und reflektierte die Erfahrung des Exils.
Vera Viehöver präsentiert Domin als Dichterin und Intellektuelle: Sie behandelt unter Berücksichtigung des umfangreichen Nachlasses das gesamte literarische Werk, das neben Gedichten Prosatexte, Essays und Reden auch poetologische Schriften umfasst, und zeichnet Rezeption und Reaktionen nach.
»Alles in dieser Dichtung ist unmittelbar, das Wahrgenommene, das Empfundene, das Erhoffte, das Befürchtete und das Gedachte – kurz, das innere wie das äußere Erlebnis, all das wird Wort und so aufs neue Ereignis.« Manès Sperber (1982)
»Hilde Domin hat lyrisch und analytisch eine eigene Stimme: im umstellten Raum Freiheit.« Paul Konrad Kurz (1968)
»Vera Viehövers kenntnisreiche Biographie setzt einen anderen Akzent als die vielen Kommentatoren, die gebetsmühlenartig die vorwärtsgewandte Haltung der Dichterin betonen und sie als Beispiel für die gelungene Reintegration ehemals verfolgter Juden in die Bundesrepublik anführen. Anhand des Frühwerks zeigt Viehöfer, wie sehr Domins Lyrik von der Erfahrung des Leids geprägt war – und wie wenig Zuversicht es oft vermittelt.«