Im Jahr 1658 publizierte Sir Kenelm Digby eine lange ›Rede‹ (Discours), in der er die Wirkungen eines merkwürdigen Wundermittels beschreibt und erklärt. Das poudre de sympathie heilt tiefe und normalerweise lebensbedrohliche Schnittverletzungen – und zwar ohne direkten Kontakt mit der Wunde. Diese Heilpraxis war schon bei den Zeitgenossen nicht unumstritten, was dem europaweiten Erfolg von Digbys Schrift allerdings keineswegs geschadet hat.
Dieser Essay zeigt erstmals, wie Digbys ›Rede‹ die (zweifellos vorhandene) Fernwirkung des literarischen Imaginären geschickt dazu verwendet, die (jedenfalls) imaginäre Fernwirkung seines Wundermittels glaubhaft darzustellen. Aus Digbys Analyse erweist sich zugleich, wofür diese Heilpraxis eigentlich bestimmt war: nämlich insbesondere für die zeitgenössische Behandlung jener Hieb-und Stichwunden, die in Duellen verursacht wurden. Dieser auch strafrechtlich prekäre historische Kontext findet sich auf der Bühne des 17. Jahrhunderts wirkmächtig reflektiert, etwa in Corneilles Le Cid oder in Drydens und Davants Adaption von Shakespeares Tempest.
Sergius Kodera
Sergius Kodera lehrt seit 1995 Philosophie an der Universität Wien (Habilitation 2004). Er arbeitete mit Forschungsstipendien u. a. in London (Warburg Institute), in den USA (Columbia University) und Deutschland (FU Berlin). Seine transdisziplinären Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in der Geschichte und Theorie der Medien, des Körpers, der Sexualität und der Magie in der frühen Neuzeit.