Das Unterhaltungstheater stellt mit seiner Orientierung am Publikum und den praktischen Erfordernissen des Theaterbetriebes eine Herausforderung für schreibende Zeitgenossen dar. Sein Festhalten an Grundsätzen der Aufklärungsepoche ruft zudem bei der literarischen Avantgarde, die sich am Konzept der Weimarer Klassik oder an der sich formierenden (Früh-)
Romantik orientiert, mitunter heftige Reaktionen hervor. Es beginnt eine bis heute andauernde Abwertung des sogenannten Unterhaltungstheaters um 1800, die allerdings zumeist übersieht, dass das Publikum dieser Stücke weder ungebildet war noch bildungsfern lebte und dass seine Autoren ambitionierte poetologische Programme verfolgten. Der Erfolg des Unterhaltungsdramas legt vielmehr nahe, dass es durchaus Themen von hoher Relevanz auf eine für das Publikum gewinnbringende Weise behandelt hat.
Der vorliegende Band hat das Ziel, das Genre und die Konzeption des Unterhaltungstheaters um 1800 neu zu profilieren. Zu diesem Zweck gehen die einzelnen Studien dem produktiven Beitrag des Unterhaltungstheaters zum politischen Diskurs des späten 18. Jahrhunderts nach, untersuchen die Bühnenunterhaltung als reflexives Medium sozialer Wirklichkeiten, beleuchten den Beitrag von Autorinnen zum Genre wie die Gender-Debatte auf der Unterhaltungsbühne und akzentuieren das Unterhaltungstheater im Kontext der ästhetischen Debatten um 1800.
»Der hier zu rezensierende Band stellt keine Selbstverständlichkeit dar, sondern muss als ungewöhnlich gelten. [...] Durch die unschiedlichen Perspektivierungen in den einzelnen Beiträgen entsteht ein facettenreiches Gesamtbild des Unterhaltungstheaters um 1800. [...] Wer künftig zum Unterhaltungstheater arbeitet, wird den vorliegenden Sammelband zu schätzen wissen und auf ihm aufbauen können. Und wer sich nach so vielen theoretischen Perspektiven auf das Unterhaltungstheater ein wenig Unterhaltung durch das Unterhaltungstheater gönnen möchte, dem bieten die Herausgeber mit Ifflands Posse Der Komet (1799) [siehe S. 81] ein überzeugendes Beispiel an.« (IASLonline, 2008)
Johannes Birgfeld
Johannes Birgfeld, Studiendirektor (Neuere deutsche Literaturwissenschaft) im Hochschuldienst der Universität des Saarlandes. Publikationen v. a. zur Literatur des 18., 20. und 21. Jahrhunderts sowie zur Geschichte von Drama und Theater. Promotion über Krieg und Aufklärung. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Wulf Segebrecht.
Claude D. Conter
Claude D. Conter, Leiter der Nationalbibliothek in Luxemburg. Publikationen v. a. zur Literatur des 19. Jahrhunderts und zur Gegenwartsliteratur sowie zur Luxemburgistik. Promotion bei Wulf Segebrecht über Europavorstellungen im 19. Jahrhundert.