Das Dilemma zwischen der Vielfalt von Kulturen mit unterschiedlichen Wertsystemen und Errungenschaften und der Vorstellung einer auf gemeinsamen Grundwerten beruhenden ›Einheit des Menschengeschlechts‹ wird durch die Globalisierung eher verschärft als gelöst. Die Verbindung einer ›kulturrelativistischen‹ und einer ›universalistischen‹ Perspektive wird, je nach kulturtheoretischem Ansatz, in einer ›Differenz trotz Einheit‹ oder einer ›Einheit trotz Differenz‹ gesucht.
Der Kulturtheorie eines Dialektischen Humanismus zufolge bilden ›Universalismus‹ und ›Partikularismus‹ eine ›Einheit durch Differenz‹. Es ist der Humanismus von Herder und Goethe. Mit dem ›spinozistisch‹ inspirierten Gedanken einer ›Einheit durch Differenz‹ versteht Herder Humanität und kulturelle Vielfalt als dialektisch miteinander vermittelt. Als Herders Schüler lernt Goethe für sein Verständnis von Kultur zudem von seinen Erfahrungen bei der Beobachtung von ›Polarität und Steigerung‹ in der Natur, wie Friedrich Engels sie als ›Dialektik der Natur‹ definieren und beschreiben wird.
Aus dem Dialektischen Humanismus von Herder und Goethe ergeben sich Orientierungen für die kulturtheoretisch grundlegenden Konzepte von ›Interkulturalität‹ und ›Transkulturalität‹ und für die Frage nach der Kultur bzw. den Kulturen der globalisierten Welt, aber auch methodische Anhaltspunkte für den ›Kulturvergleich‹.