Peggy Lees »You give me fever«, Disneys »Pocahontas«, Terence Malicks »The New World« und viele, viele andere Lieder, Filme und Bücher belegen es: Die Indianerin Pocahontas und ihre mythische Rettung des englischen Eindringlings John Smith vor genau 400 Jahren stellt in der amerikanischen Populärkultur noch heute ein Thema allerersten Ranges dar. Aber wer weiß schon, dass das alles einmal in Ansbach im Fränkischen angefangen hat? Johann Wilhelm Rose veröffentlichte 1784 eine Singspielfassung dieser Geschichte, bei der es sich gleichzeitig um allererste Fiktionalisierung dieses später weltbekannten Stoffs überhaupt handelt – lange bevor die ersten Romane und Theaterstücke in den USA selbst auf den Markt gekommen sind.
Und Rose zieht in seinem kulturhistorisch in vielfacher Hinsicht höchst interessanten Stück alle Register des Unterhaltungstheaters des späten 18. Jahrhunderts: Eine edle Wilde und ihr europäischer Widerpart, empfindsame Szenen, lyrische Einlagen, intrigante Indianerpriester, eine Rettung in letzter Minute und natürlich eine ganz spezielle Antwort auf die Frage, die noch heute unweigerlich im Mittelpunkt jeder Bearbeitung dieses Stoffs steht: Aus welchem Grund hat sich Pocahontas damals dazwischengeworfen, als sich bereits die Hinrichtungsbeile der Indianer gegen John Smith erhoben hatten? Roses Antwort dürfte historisch kaum korrekt sein, doch verrät sie nicht zuletzt viel über die Zeit, in der er selbst geschrieben hat.