Nach zwei klassischen Lyrikbänden (im Wehrhahn-Verlag »Findelkinder« 2017 sowie »Und meine Flügel schweben ohne mich davon« 2018) vereinigt das neue Buch »Todes Stunde« von Abram Maenner Gedichte der letzen drei Jahre in einem fortlaufenden Text zu einer Rückblende aus Erlebnissen, Beobachtungen und Ängsten, voller Bezüge zu Politik, Kultur und Religion: eine poetische Todesvision am Ende des Lebens.
Der sterbende Lyriker und Bildhauer liegt inmitten seiner Skulpturen und wird vom eigenen »anderen Ich« durch das gläserne Dach beobachtet. Die beiden Ich-Formen sprechen aus verschiedener Sicht über ihre Lage, ohne miteinander zu reden. Dabei spricht der Sterbende mit seinen Gedichten in gebundener Sprache, der Beobachter benutzt alltägliche Prosa. Beide Stimmen sind im Schriftsatz voneinander abgesetzt.
Dieser Text ist ein Versuch oder gar Experiment. Er mißachtet den individuellen Anspruch des einzelnen Gedichts, ein autonomes Kunstwerk zu sein, unabhängig und ohne Bezug auf irgendein anderes, thematisch, formal, mit eigenem Anfang und Ende. Im Gegensatz dazu wird hier jedes Gedicht überganglos in eine Reihe gesetzt mit ebenso entrechteten anderen, als Funktionsteil eines neuen, größeren Ganzen.
Dem Autor drängte sich diese Idee bei der Lektüre der eigenen Werke geradezu auf. Vielleicht war das eine Nachwirkung seiner früheren Tätigkeit als Dramaturg und Regisseur am Theater, sowie später als Kulturfilmer. Er macht aus lyrischen Momentaufnahmen fast eine szenische Handlung mit Ablauf und Entwicklung. Und diese Abläufe vollführen Sprünge, folgen Assoziationen wie in der Bildmontage des Filmschnitts, quer durch die Zeiten, Ereignisse und Gefühle.
Abram Maenner
1941 im Böhmerwald geboren, † 2023. 16. Kind einer von den Nazis verfolgten Familie. Nach deren Zerstörung in einem staatlichem Heim, bei einem alten Ehepaar und in einem Kloster aufgewachsen. 1960 Abitur, Studium (Literatur, Kulturgeschichte) in Wien und Berlin. 1964 Promotion Dr. phil. 10 Jahre als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler an mehreren Theatern. Dann Kulturfilmer (Über 1000 Sendungen) und Kritiker (etwa 500 Rundfunkberichte), Kulturredakteur WDR Köln. Seit jungen Jahren Lyriker (bis jetzt mehr als 3000 Gedichte), zwei Bände erschienen im Wehrhahn-Verlag Hannover: “FINDELKINDER” 2017 und “UND MEINE FLÜGEL SCHWEBEN OHNE MICH DAVON” 2018. Seit 1993 Bildhauerarbeiten in Stein, Holz und Bronze (etwa 120 Skulpturen). Ab 1986 Rekonstruktion einer Limonaia (Zitronengewächshaus) als Atelier und Museum in Italien bis 2011. Seit den 50er Jahren Reisen durch die ganze Welt.
Siehe auch: www.abram-maenner-gedichte.de