Hermann Schiff (1801–1867) – ein extremer Schriftsteller, ein extremes Leben in einem extremen Jahrhundert. Er wusste, worüber er berichtete, als er am endlosen Schwarzbuch des Jahrhunderts mitschrieb: Chroniken nicht von Naturkatastrophen, sondern Sozialkatastrophen. Er hatte seine Erfahrungen: prekariöser Schriftsteller, diskriminierter Jude und schlichtweg Zeitgenosse.
Vertreter einer anderen Literaturgeschichte, einer heute verdrängten, schrieb er Literaturchroniken des Grauens, Sozialchroniken des Grauens, Kulturchroniken des Grauens. Als Splatter-Schiff, wie er hier genannt werden soll, versuchte er, diesem Grauen Worte zu geben. Er berichtet aus der Todeszone der Normalität, er sendet chiffrierte Dokumente über die Fortschritte eines Heranwachsenden; der Heranwachsende ist die Moderne. Es sind – literarische Schwarzarbeit – Nachtprogramme aus dem Inneren der geschlossenen Anstalt.
Spätestens mit seiner Novelle »Helden des dreißigjährigen Friedens« von 1854, die von der allmählichen Verwandlung eines Selbstmordkandidaten in ein Einhorn handelt – ein Gregor Samsa des Spätbiedermeier, hiermit dem Vergessen entrissen – kann er als Autor der Weltliteratur gelten. Wer diese Novelle gelesen hat, wird sich der Meinung anschließen müssen, dass die Steigerung von grotesk nicht kafkaesk, sondern schiffesk lautet.