Alfred Lemms Erzählungen, von Kritikern gelobt und doch nur vereinzelt und verstreut in wenigen Anthologien überliefert, erschienen zuerst 1918 in zwei Bänden unter dem Titel Mord. Expressionistische Groteske und schwarzer Humor verbinden sich zu eindrücklichen Bildern einer Menschheit am Abgrund. Wo die Libido sich bahnbricht, wo Menschenmassen in Großstädten sich zu Unmenschlichkeit verdichten und wo Außenseiter daran zerbrechen, Zeugen zu werden, führen alle Geschichten in den Tod: Ein Lynchmob zerfetzt einen Mann mitten in Berlin; Krankenpflegerinnen malträtieren ihre Patienten; ein Bräutigam springt im Angesicht seiner zur Urmutter erhobenen Braut aus dem Leben; eine junge Jüdin verschenkt ihren Körper an Soldaten und wird als Prostituierte verurteilt. Satirisch, drastisch und unbegreiflich hellsichtig schildert Lemm die kleinen Katastrophen und die große Apokalypse des frühen 20. Jahrhunderts ab.
Zum ersten Mal werden die Mord-Erzählungen zusammen mit Lemms Künstlersatire Wie Höllerstein berühmt wurde herausgegeben. Das Nachwort geht den Schlüsselmotiven nach, die diese zu Unrecht vergessenen Kleinode zu einem literarischen Mosaik der klassischen Moderne machen.