Lemms Erzählungen, von Kritikern gelobt und doch nur vereinzelt und verstreut in wenigen Anthologien überliefert, erschienen zuerst 1918 in zwei Bänden unter dem Titel Mord. Expressionistische Groteske und zuweilen schwarzer Humor verbinden sich zu einem psychologischen Tableau Europas in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs: Ein Lynchmob zerfetzt einen Mann mitten in Berlin; Krankenpflegerinnen malträtieren ihre Patienten; ein Bräutigam springt im Angesicht seiner zur Urmutter erhobenen Braut aus dem Leben; eine junge Frau verschenkt ihren Körper an Soldaten und wird als Prostituierte verurteilt – als Heilige stirbt sie unter Kriegsinvaliden; ein Radfahrer überfährt wutentbrannt eine taube Passantin; den Bewunderer einer schönen Schauspielerin zerreißt es buchstäblich vor Lust. Mit drastischer Sprache zeichnet Lemm mal einfühlsame, mal absurde Psychogramme einer Zeit nach, die aus den Menschen Mörder macht – oder Mordopfer.